Ein etwas ruppiger Start in die Bretagne
Vor gut zwei Wochen haben wir uns wieder in die Bretagne aufgemacht. Schon wieder in die Bretagne? Ja wir konnten es einfach nicht lassen, schon wieder hierher zu fahren. Wer einmal hier war und weiß, was die Bretagne mit seinen 2700 km Küstenlinie alles so zu bieten hat, der kann uns vielleicht verstehen.
Allerdings war es diesmal nicht so soft wie wir es uns erst einmal vorgestellt haben, bereits am 2. Fahrtag haben wir gemerkt, dass unser hinteres Seitenfenster im Schlafzimmer undicht ist. Erst mal haben wir uns gewundert wo die Feuchtigkeit unterhalb des Fensters herkam. Nachdem wir aber nach einem Besuch einer Selbstbedienungswaschanlage gemerkt haben, dass danach sowohl die Wand als auch die Matratze innen direkt mit eingeschäumt waren, ließ sich das Ausmaß der Problematik nur noch wenig beschönigen. Da wir das Fenster ab Werk hatten einbauen lassen, haben wir nach kurzem Telefonat mit unserer Heimatwerkstatt auch direkt erfahren, dass sich dies bei einem Rollerteam-Händler in Frankreich auch auf Garantie reparieren ließe. Puhh, mit wirklich sehr rudimentären Französischkenntnissen eine Herausforderung für uns.
Also haben wir vor dem nächsten Werktag direkt bei einem Rollerteam-Händler übernachtet, um gleich früh dort aufzuschlagen und konnten uns mit Händen und Füßen – und Dank der modernen Technik in Form einer Übersetzungs-App – einigermaßen verständigen. Das Ergebnis des Gespräches war ernüchternd: ein Termin war nicht vor 4 Wochen zu bekommen und auch beim Partnerbetrieb weiter im Süden der Bretagne das gleiche.
So musste mein MacGyver-Gunnar wieder ran: Mit einem Spezial-Klebeband, das rückstandslos wieder zu entfernen ist, hat er das Fenster komplett abgedichtet. Da wir aufgesetze Fenster haben, verschwinden die Klebearbeiten fast vollkommen unter dem abgedunkelten Plexiglas und auch mein Designerauge ist total zufrieden gestellt.
Bereits zwei sehr stürmische Nächte haben wir überstanden, ohne dass auch nur ein Tropfen nach innen durchgedrungen ist. Mein MacGyver, du bist einfach unersetzlich.
Nun kann unsere Reise auch wie geplant weiter stattfinden. Wir haben beschlossen, das Fenster erst Zuhause wieder vom Profi reparieren zu lassen, so lange alles so bleibt.
Nun kann es aber wirklich mit der Reise losgehen
Auch wenn wir schon zwei Mal hier waren, haben wir auch bisher (mit einer Ausnahme) jede Nacht an einem noch unbekannten Stellplatz verbracht. Auf unseren ersten Reisen hierher haben wir scheinbar viel ausgelassen. Noch ganz neu in Frankreich haben wir uns damals auf reguläre Stellplätze beschränkt – wir waren halt noch grün hinter den Ohren was das Wildcampen angeht. Nun kennen wir Frankreich etwas besser und wissen, dass auch in Frankreich gilt: solange man niemanden stört und es nicht per Schild verboten ist, kann man hier problemlos auch auf Parkplätzen übernachten. Es gibt wohl kein Gesetz, das das Freistehen so richtig verbietet, so lange man die Markise und die Campingstühle nicht aufbaut. Dafür ist das Wetter hier aber sowieso noch viel zu unbeständig.
Der Franzose an sich ist nämlich auch ein ziemlicher Freigeist und lässt sich ungern in seiner Freiheit einschränken. Das merken wir auch schon wieder täglich um unser Wohnmobil herum: viele französische Männer, egal welchen Alters, gehen einfach auch gerne mal vor dem Wohnmobil statt drinnen zum urinieren. Gegen diesen Freiheitsdrang spricht in der Natur ja auch gar nichts, aber wenn ich gerade aus dem gemütlichen Wohnmobil meinen Blick über die wunderschöne bretonische Landschaft schweifen lasse und dann an der Rückansicht eines Wildpinklers direkt neben unserem Wohnmobil hängenbleibe, dann finde ich das nicht so prickelnd. Noch weniger da das meist vor dem ersten Kaffee am Morgen passiert, wo meine Toleranz durchaus auch noch etwas träge ist.
Vor ein paar Tagen waren wir wieder einmal auf einem Parkplatz direkt an den Klippen, um dort nach dem Arbeiten noch ein paar Schritte auf dem wunderschönen Küstenwanderweg der Bretagne zu gehen. Ohne es zu ahnen, befanden wir uns in DER Gegend für Jakobsmuscheln – am Mekka der Fußfischerei. Mit Pêche à pied (Fußfischen) wird das Aufsammeln von Muscheln direkt am Strand bezeichnet, das bei vielen Franzosen sehr beliebt ist und so pilgern zur Ebbe die Franzosen an den Strand und holen sich die Leckereien direkt mit Schaufel und Eimer nach Hause auf den Tisch.
Gunnar hat dann einer älteren französischen Dame, den voll beladenen Eimer auf dem Rückweg von Strand die Klippen hochgetragen und so wurden wir oben tatsächlich von ihr und ihrem Mann noch mit den wohl leckersten und frischesten Jakobsmuscheln beschenkt. In einem Kauderwelsch aus Französisch, Englisch und Deutsch haben wir dann noch die Anleitung zum Öffnen und Zubereiten der Jakobsmuscheln ausgetauscht und an diesem Abend ein absolutes Festmahl zu Zweit im Wohnmobil erhalten.
Natürlich hat uns das die nächsten Tage angespornt, unser eigenes Glück zu versuchen. Die Aussicht auf eine frische, kostenlose Mahlzeit, das reizt uns immer. Im Internet ist leider wenig zu finden, wie man denn dann an den richtigen Stellen gräbt. Das wird wohl – ähnlich wie bei uns die besten Pilzgebiete – nur innerhalb der Familie im Vertrauen weitergegeben und so konnte auch ChatGPT uns zu wenig darüber berichten, wann man, an welcher Stelle und in welcher Tiefe gräbt. So haben wir uns natürlich erst einmal mit Gummistiefeln und Handrechen in mehreren Geschäften ausstatten müssen, um dann völlig ohne Erfolg, aber komplett durchnässt und frustriert wieder im Wohnmobil zu sitzen.
Sollte einer unserer zahlreichen Leser hier ein paar Tipps geben können wie das Fußfischen geht, dann würden wir diese Geheimnis auch vertraulich behandeln und nicht in unserem nächsten Blogbeitrag an das Internet Preis geben.
Das Wetter ist ziemlich durchwachsen, typisches Aprilwetter. Peitschende Regenschauer, orkanartiger Sturm mit Windböen um die 100 km/h aber auch ausgiebige Sonnenstrahlen lassen das Reisen im Kastenwagen nicht langweilig werden. Um unseren Strombedarf kümmern sich zuverlässig u.a. die Solaranlage, der Ladebooster und die gute LiFePo4-Batterie, welche zusammen dafür sorgen, dass uns nie der Saft ausgeht auch wenn wir mal eine Woche an einem Platz stehen bleiben und mehrmals am Tage unsere Arbeits-Laptops laden müssen. Das passt alles prima. Deswegen hatten wir diesmal auch sämtliche Stromkabel zu Hause gelassen.
Was wir bereits im letzten Jahr bemerkten, geht aktuell hier in der Bretagne wieder los. Die Zeit der Prozessionsspinner beginnt! So findet man die leuchtend weißen Nester wieder in zahlreichen Bäumen und insbesondere für Hunde sind diese Raupen, sofern sie gerade auf dem Boden unterwegs sind, sehr gefährlich. So konnten wir bereits Einheimische warnen, welche mit zwei Hunden unterwegs waren bevor diese ihre Nase ranhalten konnten.
An Arbeit mangelt es uns nicht und wir haben es geschafft, einen guten Mittelweg zwischen Arbeitszeit und Erholung zu finden. Trotzdem bleibt bis zum Wochenende oft noch etwas unerledigtes liegen, was wir dann allerdings am Samstag meistens noch mit wegarbeiten können bevor der wohlverdiente Sonntag zum ausspannen beginnt.
Was unsere Fotos betrifft, merken wir, dass gute Motive hier so viel schwerer zu finden sind, als eben gerade noch in Island. Damit wollen wir nicht sagen, dass die Bretagne nicht schön ist, sie ist nur so viel schwieriger in ihrer subtilen Schönheit einzufangen. Wir staunen jeden Tag aufs neue wieder über die malerische Landschaft und die entzückenden Häuschen, aber das heißt einfach immer noch nicht, dass man das genauso einfach in einem guten Foto festhalten kann. Wir werden uns Mühe geben euch auch hier mit Fotos nicht zu enttäuschen, aber seid bitte gnädig mit eurem Urteil.
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Typisch bretonisch -
Bretonischer Turm -
Meeresfund -
Spiegelung -
Seltsame "Blüten" -
Buddy eingebettet -
Weg zum Cap Fréhel -
Blick aufs Cap Fréhel -
Raue und wunderschöne Küste -
Strandläufer -
Plévenon -
Der Hafen von Saint-Cast-le-Guido -
Der Strand von Saint-Cast-le-Guido -
Bretonisches Traumhaus -
Klippen von Pordic -
Muscheljagd in Pordic -
Höhle am Strand von Étables-sur-Mer -
Vögelschwärme in Bréhec -
Nester von Pinien-Prozessionsspinnern
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Kommentare
Kommentar von Chris |
Liebe Iris, du solltest nicht so tief stapeln. Ich finde deine Fotos sehr gelungen, vor allem hast du den Blick fürs Motiv. Die Farben der Fenster und Türen an den grauen Häusern bw dem Turm sind einfach toll. Mir gefallen auch der Bohlenweg zum Cap Fréhel und die Spiegelung sehr gut, weil der Aufnahmeort und die Ausrichtung stimmen.
Wir sind gerade auf Sylt und da geht es mir ähnlich, manches muss man im Herzen behalten, weil der Fotoapparat das nicht so empfindet. War das jetzt sehr prosaisch?
Ja, die Franzosen haben eine ausgeprägte Freizeitsliebe. Der Vorteil ist, dass es nicht sooo viele Vorschriften gibt wie bei uns.
Genießt die Bretagne mit trockenen Matratzen und ohne heftige Stürme.
Herzliche Grüße von Christa und Horst
Antwort von Iris und Gunnar
Hallo ihr beiden,
oh wie recht ihr habt, dass man manches nur im Herzen festhalten kann. Und da gibt es hier einiges. Zu prosaisch? Geht nicht.
Lasst es euch auf Sylt schön gut gehen und entspannt schön! Wir sind ja immerhin schon mal fast am gleichen Meer ;) wir drücken euch!
Iris und Gunnar
Kommentar von Wolfgang Kraus |
Guten Morgen Euch Beiden!
Das mit dem Fenster habt Ihr ja gut hinbekommen. So könnt Ihr mit gutem Gefühl das Fenster bei Eurer Firma des Vertrauens reparieren lassen.
Sehr gerne lese ich und Hilde Eure Reiseberichte.
Das Anschauen der Bilder ist wie Urlaub für uns - herzlichen Dank, dass wir an Eurer Reise teilnehmen dürfen!
Hilde & Wolfgang
Antwort von Iris und Gunnar
Danke euch, dass ihr immer einen schönen Kommentar hinterlasst. Wir freuen uns sehr, dass ihr virtuell mit uns reist.
LG
Iris und Gunnar
Kommentar von Christel |
Hallo Iris und Gunnar,
das ist wieder ein wunderbarer Bericht. Ich bin direkt immer dabei, so als würde ich im Buch leben. Ich finde ihr gestaltet Euer Leben richtig toll, sinnvoll und genießerisch. Ja, Vive la France. Tatsächlich hieß meine Großmutter Fournier, wahrscheinlich daher meine Frankreichliebe, obwohl sie im Sudetenland gelebt hat.
Das mit dem Muschelsammeln finde ich Mega interessant. Ich hatte davon noch nicht gehört. Ich wünsche euch weiterhin eine erlebnisreiche Reise, „ man lernt nicht aus“
Alles Liebe 💐
Christel