Alles auf den Kopf gestellt

Die Insel Leka ist ein ganz besonderer Ort. Nicht nur, dass das Gestein geologisch gesehen zu Amerika gehört, dazu hat es sich auch noch bei der Ablösung vom Amerikanischen Kontinent damals auf die Seite gedreht und so muss man in Leka nicht tief graben, um an ältere Gesteinsschichten zu kommen, sondern sich einfach ein paar Meter weiter bewegen. Korrekterweise ist hier also sprichwörtlich nicht alles auf den Kopf gestellt, sondern auf die Seite gelegt. Der Tipp neben der Fv17 auch Leka zu besuchen kam von Br. Jürgen, vielen Dank nochmals an dieser Stelle.

Natürlich sind wir keine Geologen, aber diese Geschichte hat uns schon vorab sehr interessiert. Und tatsächlich, das Gestein auf Leka sieht im Vergleich zum Festland anders aus und die Schichten die man an Gesteinsabbruchkanten manchmal erkennen kann, liegen hier wirklich horizontal vor uns auf dem Boden. Gunnar ist ja ein passionierter Steinesammler und auch hier konnte er es nicht lassen und hat sich mehrfach auf die Suche nach besonderen Steinen gemacht – und auch einige besondere Exemplare angebracht. Einige davon werden bald in der Werkstatt poliert und landen dann in der Ausstellungsvitrine. Für die geologischen Besonderheiten wurde Leka 2010 zu nichts geringerem als zu Norwegens geologischem Nationaldenkmal erklärt.

Leka hat keine so großen Höhenunterschiede wie das Festland und eigentlich ist man auch in einer guten halben Stunde einmal um die Insel gefahren, eine 30 km lange Straße führt einmal um Leka herum. Dafür hat Leka über 50 Wanderrouten verzeichnet, von denen wir immerhin ein paar erkundet haben. Gunnar hat sich bei bestem Wetter den höchsten Gipfel der Insel vorgenommen: den Vattind mit 418 m Höhe, den er in einer 4-stündigen, gut anspruchsvollen Wanderung erklommen hat. Nebenbei wurden noch Seeadler beobachtet, natürlich viele Fotos gemacht und vergeblich ein Geocache gesucht.

Und auch gemeinsam haben wir ein paar kleinere Gipfel erklommen und viele schöne Eindrücke von dieser tollen Insel erhalten.

Auf Leka scheint es eine Überpopulation von Rehen zu geben, im Vergleich zum Rest des Landes, obwohl wir nur 5 Tage auf Leka waren, haben wir annähernd jeden Tag ein oder mehrere Rehe gesehen. Eines davon lief übrigens am letzten Morgen ganz cool direkt an unserem Camper vorbei und ließ sich durch uns keineswegs aus der Ruhe bringen.

Seit dem wir im Trondelag angelangt sind, hat sich auch das Wetter stark verändert. Wir haben viel Sonne und wundervolle warme 20-24°C. Die Winterklamotten wurden verstaut und die Sommerkleidung in den Schrank sortiert. Das tut so unglaublich gut.

Was es auf Leka übrigens auch gibt, sind Midges, bzw. hier Kriebelmücken genannt – wie wir mit Schrecken festgestellt haben. Durch die winterlichen Klimabedingungen weiter im Norden waren wir diesen fiesen Getierchen bisher nicht begegnet. Und da wir auf Leka noch bis spät in die Nacht von der Sonne beschienen wurden, haben wir ahnungslos nachts die Dachfenster vom Kastenwagen offen gelassen, zwar mit Mückengitter, aber das kratzt Midges ja bekanntlich nicht. Nun ist die norwegische Mücken-Variante bei weitem nicht so schmerzhaft beim Stechen und so haben wir das im Halbschlaf gar nicht so mitbekommen, bis wir – natürlich am meisten wieder Gunnar mit seinem leckeren Blut – am nächsten Morgen übersäht waren von unzähligen Mückenstichen. Und das Jucken und Dauer dieser Stiche stehen leider dem der schottischen Midges in nichts nach.

Und seitdem wir in der Region Telemark sind, finden mich die Midges übrigens auch ganz lecker und so sind wir mittlerweile beide übersäht mit unzähligen Stichen. Geschmäcker sind eben regional ganz unterschiedlich. Jeden Morgen gibt es erst mal unbekleidet eine gegenseitige Session mit dem BiteAway – dem Gerät das durch Hitzeeinwirkung auf den Stich das Jucken minimiert. Erotik schaut anders aus.

Nach Leka hieß es für uns Strecke machen, da wir uns ein paar Tage später mit zwei Freunden in Geilo treffen wollten. Und davor wollten wir aber noch eine Nacht im Dovrefjell Nationalpark verbringen, um eine Wanderung zu den Moschusochsen zu unternehmen. Dieser Nationalpark ist auch wieder landschaftlich eine absolute Besonderheit. Er erinnert mich eher an eine typische Westernlandschaft, wie er so geprägt ist von baumlosen sanften Hügeln.

Anfang des 20. Jahrhunderts wurden hier erfolgreich wieder Moschusochsen angesiedelt, die mittlerweile eine stattliche Population von 300 Tieren erreicht haben und sich scheinbar in der Gegend auch ganz wohl fühlen – ähnlich wie wir.

Hier haben wir einen Traumsommerabend mit Blick auf einen reissenden Fluß und die karge, weitläufige Landschaft verbracht und endlich einmal stundenlang vor dem Wohnmobil in der Sonne die Seele baumeln lassen. Kennt ihr das? Wie glücklich es macht, wenn es genau die richtige Temperatur hat, die Sonne schön wärmt, eine leichte Brise weht, aber auch nicht zu stark. An dem Abend gab es auch kaum Mücken und so haben wir es wirklich mal bis abends draussen ausgehalten.
Klingt vielleicht für euch, als wäre das im Urlaub doch immer so. Nein nicht bei uns in diesem Urlaub, da war es bisher fast immer zu kalt oder nass oder so viele Mücken, dass man es nicht lange ausgehalten hat. Und trotzdem lieben wir Norwegen und möchten uns auch gar nicht beklagen, die Landschaft, die Ausblicke, die Ruhe und Einsamkeit entschädigt für all das um vieles.

Am nächsten Morgen haben wir vor allen anderen Touristen den Aussichtspunkt Snøhetta erklommen und doch tatsächlich zwei Moschusochsen in der Weite der Landschaft ausmachen können. Wie uns das gefreut hat. Der Aussichtspunkt ist übrigens ein absolutes Muss. Von einem Architekturbüro entworfen ist er ein moderne Mischung aus organisch geformten Holz und viel Glas, darin ein offener, schwebender Kamin. Der Ausblick alleine wäre schon absolut sehenswert, aber von diesem Design-Meisterwerk aus nur um so schöner. Der Weg dort hin ist gut zu bewältigen, es geht auf einem mehr oder weniger steilen 1,5 km langen Trail den Berg hinauf und oben angekommen ist es jede Schweißperle wert.

Ein ganz besonderes Erlebnis gab es in Åbjøra. Die Hitze im Wohnmobil war schier unerträglich und ein kühles Bad wurde für uns beide der Inbegriff der Glückseeligkeit. So ging es per App "Park4Night" auf die Suche. Was wir dann fanden war ein über hundert Millionen Jahre von der Natur geformtes Freiluftbad, nur für uns alleine. Mit sanft geschwungenen, passgenauen Steinkuhlen für den Boppes, über welche man etagenweise tiefer ins Kühle nass gleiten konnte – sofern man wollte. Gunnar war schier begeistert, wie man sieht. Meine Wenigkeit war zu sehr Mädchen, schließlich handelte es sich ja um einen Gebirgsbach mit Schneeschmelzwasser also fast Gletscherwasser. Die Steine waren auch sehr glitschig, wenn man also tiefer rutschte, stieg die Gefahr nie wieder an Land kommen zu können. Gunnar rettete sich auf eine Insel, auf welcher er seinen Pelz trocknen konnte um danach wieder über die Steinkuhlen ans Ufer zu robben.

In einer Hochebene oberhalb von Geilo durften wir nach unserem Badetag zwei wundervolle Tage mit Conni und Gabi verbringen – liebevoll die Bergziegen genannt. Auch wenn sie ein paar Tage älter sind als Gunnar haben sie ihn bei der Wanderung am 1. Tag an seine Grenzen gebracht. Gunnar kennt Conni bereits von einer Wanderung aus dem Altai-Gebirge und ihre langjährige Freundin Gabi haben wir sofort mit ins Herz geschlossen und eine wunderschöne Zeit mit den beiden dort verbracht. Danke euch dafür!

Nun sind wir tatsächlich auf den letzten paar Hundert Kilometern bis zur Fähre in Kristiansand. Auch wenn uns die Gegend hier unten im Telemark, vor allem auf der E9 zwischen Hovden und Kristiansand wieder absolut fasziniert. Wir merken, dass es genug mit Norwegen ist. Wir wollen die Fähre ein paar Tage früher nehmen und noch ein paar Strandtage in Dänemark verbringen. Uns steht jetzt der Sinn nach Parken auf dem Strand und ins kühle Nass davor springen.

(Kommentare: 2)

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Kommentare

Kommentar von Hildegard & Wolfgang Kraus |

Hallo und DANKE in den Norden!
Wieder wahnsinnige Bilder und eine so tolle Beschreibeung Eurer Tour - danke!

Kommentar von Caroline |

Wooop!