136 Tage unterwegs auf 12qm - Wild Atlantic Way, Éowyn, Wales und England

Wir befinden uns an einem ungewöhnlichen Ort für einen Reisebericht – nämlich nicht unterwegs, sondern zuhause im Büro am heimischen Schreibtisch, statt auf 12 qm in unserem Wohnmobil mit fast täglich wechselnder Aussicht.

Warum das so ist?

Unseren letzten Artikel aus Irland hatten wir ja aus dem Norden der Republik Irland geschrieben, dem County Donegal, einer der schönsten Ecken Irlands. Eine wunderschöne Zeit hatten wir dort, allerdings mit abruptem Ende: der Jahrhundertsturm Éowyn stand vor der Tür und ab da waren wir gezwungen, unsere Pläne zu ändern. Noch Wochen wollten wir in Donegal verbringen, bis wir Mitte oder Ende Februar die entspannte Heimreise über Wales und Südengland antreten wollten.

Fast hätten wir in Irland gar nichts von den dramatischen Sturm-Vorhersagen mitbekommen, so waren wir im Alltagstrott mit Arbeit und Reisen eingespannt. Eine besorgte enge Freundin hatte uns angerufen, ob wir von dem Sturm gehört hätten. Das war Anfang der Woche und Ende der Woche ausgerechnet am Tag des Sturmes hatten wir eine Contao-Schulung eingeplant, die wir über Webmeeting nach Deutschland abhalten wollten. Das war dann doch vielleicht keine so gute Idee. Selbst wenn das Internet stabil bleiben sollte, in einem Camper hört und fühlt man jede Windböe – ebenso in einem Videocall. Vorsorglich haben wir sogleich das Meeting mit ausreichend Puffer verlegt.

Je näher der Sturm rückte, desto klarer wurde es, dass er Irland so richtig heftig erwischen würde. Und so haben wir anhand einer topografischen Karte und mit einer App für die Stellplatzsuche einen Platz für uns herausgesucht, der uns den Gegebenheiten passend erschien. Auch wenn man überhaupt nicht einschätzen konnte, welche Teile von Irland wirklich am stärksten getroffen werden würden, entschieden wir uns für einen 2 Stunden entfernten Platz neben einem Gemeindezentrum im Landesinneren. So hätten wir die Sicherheit eines Gebäudes, in dem wir vielleicht Schutz finden würden nebst Strom und Wasser – dachten wir jedenfalls.

Bevor wir Richtung Südosten ins Inland fuhren, entschieden wir uns kurzerhand noch den nördlichsten Punkt des Wild Atlantic Way zu besuchen, damit wir symbolisch die 2600 km lange Küstenstraße komplettiert haben. Im Norden beginnt der Wild Atlantic Way am nördlichsten Punkt der Insel in Malin Head (irisch Cionn Mhálanna; auch Dunalderagh genannt) – einem Ort den wir bereits vor Jahren besucht und in allerschönster Erinnerung hatten.

So hatten wir für diesen Tag einen ganz schönen Ritt vor uns und kamen 24h vor dem Sturm in dem kleinen Grenzort Pettigoe an, genau südlich an der Nordirischen Grenze, rundherum eingeschlossen von 3 Hügelketten. Das Gemeindezentrum war so freundlich uns zu beherbergen und uns als einzige Gäste einen Platz für die nächsten 3 Tage zu stellen. Am nächsten Tag wurde allerdings durch Aushänge klar, dass alle öffentlichen Gebäude für den Sturm geschlossen werden, so auch dieses, trotzdem konnten wir dort bleiben.

Dann, am frühen Morgen des 24.01.2025 traf der Sturm auf die irische Insel und richtete unfassbar viel Schaden an. Wir blieben bis auf einen dicken Schrecken verschont. Es war zwar über Stunden hinweg ein sehr beunruhigendes Gefühl den Naturgewalten so ausgeliefert zu sein, aber wir hatten riesiges Glück. Neben uns war ein Baum in die entgegengesetzte Richtung umgefallen und der Strom war weg somit auch alles was damit zusammenhängt. Der alte wunderschöne Wald circa 50 m hinter unserem Van, in dem wir am Vortag noch spazieren waren, war zum großen Teil vom Sturm umgemäht.

Da zum Höhepunkt des Sturmes auch der Mobilfunk zusammengebrochen war, konnten wir unsere Familie daheim nicht einmal informieren, wie es um uns stand, dass es uns gut ging. Das komplette Örtchen Pettigoe war ohne Strom und Telefon. Nachmittags versuchten wir im Dorflädchen ein funktionierendes Festnetztelefon zu finden, allerdings als wir eintrafen wurde bei Kerzenlicht gerade die Kühltheke abverkauft. Da wurde uns bewusst, dass wir fast die einzigen im Ort waren mit einem funktionierenden Kühlschrank, Heizung und Frischwasser. Ein einziger weiterer Haushalt im Dorf hatte einen Generator laufen und das gab ein surreales Bild des Ortes ab, als es begann dunkel zu werden – alles dunkel, hier und da nur ein Kerzenschein.

Über Stunden versuchten wir über den Router unseres Vans Mobilfunknetze zu scannen, um Kontakt zur Außenwelt zu bekommen. Stets ohne Erfolg, bis die vehemente Lösungssuche uns einen Erfolg bescherte. Es gelang uns schließlich einen einzigen erreichbaren, kilometerweit entfernten und fast ausgefallenen Mobilfunkmast in Nordirland zu erreichen. Dieser funkte im Notbetrieb mit einem fast nicht wahrnehmbaren einfachen GSM-Signal (2G). Somit konnten wir über unseren Router und dank unserer Außenantenne eine einfache Textnachricht an unsere Eltern schicken, darüber hinaus war keinerlei Kommunikation möglich.

Erst am nächsten Tag verließen wir unseren Platz und fuhren wieder Richtung Westküste und bekamen erst dann einen richtigen Eindruck was der Sturm mit dem Land angestellt hatte. Wirklich überall waren Bäume umgestürzt und hatten Stromleitungen gekappt. Bis wir wieder Mobilfunk hatten, dauerte es gut 30 min Fahrt.

Außer einem älteren Herren kam glücklicherweise in ganz Irland niemand ums Leben. Aber das Stromnetz war massiv beschädigt. In Irland verlaufen fast überall die Stromleitungen überirdisch und die Strommasten waren so dem Sturm völlig ausgeliefert. Über die nächsten 3-4 Wochen gab es in vielen Teilen des Landes immer noch ab und an Stromausfälle als die Leitungen geflickt wurden. Hilfskräfte aus den umliegenden Ländern wurden mobilisiert, um das Stromnetz zu reparieren. Wir konnten glücklicherweise an einem Supermarkt, welcher Stromgeneratoren hatte, unsere Vorräte wieder auffüllen.

Wenn man hier eines sagen kann, dass der Wild Atlantic Way seinem Namen alle Ehre gemacht hat. Von Stürmen über wilde, rauhe Landschaften und unberührte Natur, wir haben die ganze Bandbreite erlebt und auch mit jeder Faser genossen. Ein paar weniger Stürme hätten wir uns trotzdem gewünscht aber das ist Jammern auf hohem Niveau.

Auszeit im Ferienhaus

Als Abschluss für unsere Irlandreise hatten wir uns noch ein besonderes Schmankerl gegönnt, bevor wir den Heimweg antreten wollten. Bereits unterwegs hatten wir immer mal wieder an schönen Orten nach günstigen Ferienhäusern gesucht und Gunnar hatte schließlich ein Traumhäuschen mit allem was man sich wünscht, direkt am Meer für einen günstigen Preis entdeckt. Auch wenn es dekadent erscheinen mag, vom Wohnmobil eine Auszeit in einem Ferienhaus zu nehmen, nach mehreren Monaten des Reisens ist das ein echter Luxus, den wir uns gönnen wollten. Z.B. sind eine große eigene Dusche, ein Backofen und eine Waschmaschine schon ganz annehmbare Luxusgegenstände. Und schließlich haben wir ja auch die vielen Kosten für Übernachtungen auf Stellplätzen gespart. Also los, das letzte Hemd hat eh keine Taschen.

Auch die Gegend um das Ferienhaus war immer wieder von tagelangen Stromausfällen betroffen – auch noch 10 Tage nach dem Sturm. Und so wussten wir wieder überhaupt nicht, was uns wirklich erwarten würde. Entweder sitzen wir bei Kerzenschein und verkochen im Camper all unsere ganze Kühlkost oder wir geniessen doch den Luxus von täglichen Duschen, Herd und Mikrowelle. Wir hatten viel Glück, denn nur die ersten paar Stunden und Mitte der Woche einen Abend gab es keinen Strom, den Rest der Woche konnten wir alle Annehmlichkeiten dieses wirklich voll ausgestatteten Hauses genießen. Morgens wurden wir von der Schafherde auf der Weide nebenan geweckt und vom Frühstückstisch hatte man einen Weltblick über die gesamte Clew Bay bis hin zur Clare Island. Stundenlang machten wir nichts anderes als uns am Wellenspiel zu erfreuen.

In einer Sackgasse gelegen, kam kaum ein Auto vorbei, nur der Nachbar Jim kam wie angekündigt einmal pro Tag auf dem Weg zu seinem Gemüsegarten an "unserem" Haus vorbei und wir hatten mehrfach die Gelegenheit für einen gepflegten irischen Plausch. Tatsächlich brachte er uns sogar eines Tages ein Paket für uns vorbei, das der Paketbote versehentlich an einem Schuppen des falschen Hauses abgelegt hatte. Unsere Hamburger Freunde hatten uns doch tatsächlich mit Leckereien (Halloren-Kugeln) aus der Heimat beschickt, da haben wir aber nicht schlecht gestaunt! Ein willkommener Genuß, danke nochmal!

Angekommen in Wales

Kurz nach unserer kleinen Auszeit hatten wir die Fähre von Irland nach Wales gebucht. Wir hatten immer noch einen gute Portion Respekt vor Überfahrten mit der Fähre aber wir hatten Glück und konnten Wales bei strahlendem Sonnenschein erreichen. Vermutlich hatten wir uns aber auf der Fähre mit einem Infekt angesteckt, der uns beide die nächsten Wochen in Wales und Südengland ausknocken sollte.

So waren wir in Wales sowieso nicht in bester mentaler Verfassung, aber noch etwas anderes vermieste uns die Zeit in diesem wirklich landschaftlich wunderschönen Land.

Wales hat scheinbar ein großes Problem mit freistehenden Wohnmobilen und so gibt es quasi im ganzen Land keine Wanderparkplätze, Meeresparkplätze oder Rastplätze ohne Höhenbeschränkung außer kleine Haltebuchten direkt an Landstraßen. Wir haben von Nord nach Süd überall nach schönen Stellplätzen gesucht, wurden aber kaum fündig und konnten so die Zeit in Wales leider nicht genießen.

Die Entscheidung Wales vorzeitig zu verlassen, fiel dann nach einer Nacht, in der wir nach langer Suche nur einen Stellplatz auf einem größeren Parkplatz direkt neben einem stark befahrenen Highway gefunden hatten, welcher auch nachts kaum ruhiger wurde. Morgens um 6.55 Uhr wurde dann direkt neben unseren Schlafzimmerfenster lautstark ein Imbiss aufgebaut und der dazugehörige Generator gestartet. Es hätte nicht viel gefehlt und wir hätten direkt aus dem Bett zwei Kaffee ordern können, so nah stand der Imbisswagen neben uns.

Wir wollen uns nicht beklagen, dass Wales freistehende Wohnmobile nicht mag, ja, wir gehen von Zeit zu Zeit auch mal auf einen Campingplatz, aber in Wales kostet dann so eine Nacht auch mal gerne 30-50 Pfund (35-60 Euro). Das können und wollen wir uns auch gar nicht leisten, einfach weil wir viel lieber in der Natur stehen, keinen Dreck hinterlassen und meistens sogar noch Müll aufsammeln.

In Südengland war es zwar etwas besser mit Freistehen wie in Wales, aber auch hier fanden wir kaum Ruhe. Der Unterschied zu den vielen stressfreien Wochen in Irland war einfach zu groß. England hat traditionell viele aufgemotzte Autos samt Motorrädern und gerade am Wochenende wird dann mit viel PS und Motorröhren die Überlandfahrt zelebriert. Jeder soll die Natur so genießen wir er mag, für uns – immer noch angeschlagen – war das Ruhebedürfnis zu groß und wir haben nach wenigen Tagen auch England verlassen. Wir haben ja vier Räder und sind flexibel.  

So haben wir uns dann in Frankreich noch einmal 2 Wochen Ruhe zum Auskurieren gegönnt und waren wieder einmal positiv überrascht, wie angenehm das Camperleben in Frankreich sich im Vergleich anfühlt. Es gibt so viele ruhige, günstige Stellplätze und die Franzosen selbst sind häufig mit dem Camper in ihrem Land unterwegs. Ach Frankreich, du hast einen festen Platz in unserem Herzen. Irland, dich werden wir auch nicht mehr vergessen. Wir kommen wieder!

(Kommentare: 2)

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Kommentare

Kommentar von Regina Schiemann |

Hallo Ihr Beiden,
es ist immer wieder erfrischend eure Reiseberichte zu lesen, da fühlt man sich wie mittendrin. Toll wie ihr das macht.
Liebe Grüße
Regina

Kommentar von Wiltrud |

Sehr spannend zu lesen, vor allem über die Zeit des schlimmen Sturms und wie umsichtig ihr mit den aufziehenden Gefahren umgegangen seid. Für euch alles ein großartiges Erlebnis, für uns eine riesige Erleichterung nachdem alles gutgegangen ist. Die Parents

Antwort von Iris und Gunnar

❤️ danke euch